Deutsch_Sonstiges

Josef Jacques Deutsch, IX. Bez. Porzellangasse Nr. 18

Die vier Funde in ANNO stammen alle vom 23. April 1897. Das "Deutsche Volksblatt", die "Neue Freie Presse", das "Neue Wiener Journal" und der "Pester Lloyd" berichten einstimmig von der Insolvenz des "nichtprot. Rollbalken-Fabrikanten in Wien, 9. Bez., Sensengasse 8".


Unter dieser Adresse war 1917 eine chemische Fabrik ansässig: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=vlz&datum=19170813&seite=4&zoom=33&query=%22Sensengasse%2B8%22&provider=P02&ref=anno-search

und verschiedene andere interessante Geschäfte.

Auch ein Eifersuchtsdrama: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=pel&datum=19090503&seite=6&zoom=33&query=%22Sensengasse%2B8%22&provider=P03&ref=anno-search


Die Kontrahenten "E. S. Rosenthal's Erben" werden hier noch als Generalrepräsentaten geführt, als Erfinder "Clark & Comp., London " genannt.


Als Erfinder bezeichnet sich auch Johann Anderle in seiner Werbeeinschaltung vom 23. März 1883 im "Bautechniker". Hier wird ein Nebenschauplatz eröffnet, bewegt doch der Kampf um die geräuschlosen Rollbalken Produzenten, Presse und Publikum die nächsten Jahrzehnte. In der Einschaltung vom 19. Juli des Jahres in der "Neuen Freien Presse" unterstreicht er mit Hinweis auf einen Magistratsbeschluss, dass "nur er allein berechtigt ist, die [...] als vollkommen geräuschlos anerkannten" Rollbalken zu erzeugen.

Die Entgegnung folgt auf dem Fuße, schon am nächsten Tag legt Charles Max Rosenthal in der "Neuen Freien Presse" dar, dass nur seine Firma berechtigt sei, geräuschlose Rollbalken zu produzieren, außerdem wurde eine Klage eingebracht.


Im "Bautechniker" wird am 5. September 1884 der "dem Johann Anderle patentirte geräuschlose Rollverschluss" lobend erwähnt, der auch den "Uebelstand" des tief liegenden Verschlusses beseitigt. Der Satzbau ist teilweise verwirrend beeindruckend.

Bevor ab dem 26. September bis Ende des Jahres obige Einschaltungen folgen, die den Unterschied bildlich darlegen, lassen "E. S. Rosenthal's Erben" am 8. September über die "Wiener Sonn- und Montags-Zeitung" ausrichten, dass der "als neueste Erfindung angepriesene, höher angebrachte Verschluß" von ihnen und ihren Vorgängern schon lange geliefert werde, dass er allerdings für den Rollbalken "höchst nachtheilig" sei und dass sowieso nur sie berechtigt seien, geräuschlose Rollbalken zu liefern. Die nun in Gang gekommene "Zeitungspolemik" ist hier im Detail nachzulesen, wenn mir jemand erklärt, wie ein "anchor tag" gesetzt wird, dann gibt's einen direkten Sprung dazu.


Die von Charles Max Rosenthal angekündete Klage scheint nichts bewirkt zu haben, denn am 15. Juni 1887 erscheint im "Humorist" obige Anzeige in gespiegelter Form, gefolgt von einer am 21. Juli in der "Neuen Freien Presse" mit direktem Bezug auf den Kontrahenten.

Die kleine Notiz in der "Wiener Zeitung" vom 7. August 1890, wonach ein Johann Anderle ein ausschließendes Privilegium auf einen "elastischen Hosenhalter" erhält, führt womöglich in eine ganz falsche Richtung, der ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachgehen werde.


Am 29. Januar 1893 weiß die "Neue Freie Presse" zu berichten, dass "Johann Anderle, Schlossermeister und Hausbesitzer" das Bürgerrecht der Stadt Wien verliehen wurde.


Fünf Jahre bevor "Rosenthal's Erben" mit ihren "Panzerplatten-Rollbalken" werben, taucht der Begriff "Panzer-Rouleaux" in der "Marburger Zeitung" vom 11. Mai 1893 auf. Als alleiniger Vertreter für die Steiermark wird der Tischlermeister Anton Irschik in Graz genannt. Dadurch verfestigt sich meine Vermutung, dass die Montage der Rollbalken nicht immer von den sie produzierenden Schlossern o.ä. durchgeführt wurde. Die Tischler haben leider fast überhaupt keine verfolgbaren Spuren hinterlassen. Ein bisschen nachdenklich macht der "größte Widerstand gegen [...] Ausdünstung".

Die "Wiener Zeitung" vom 1. September 1893 verkündet folgende "Nichtigerklärung".

"Bei dem k. k. Kreis- als Handelsgerichte in St. Pölten wurde auf Grund der, durch die zum Zwecke der Herstellung der Uebereinstimmung des Handelsregisters mit dem wirklichen Firmenstande gepflogenen amtlichen Erhebungen, erfolgten Constatirung der Erlöschung, in den Handelsregistern nachstehende Firmen von amtswegen gelöscht:"

Unter dieser schönen Formulierung taucht am 28. Januar 1894 in der "Wiener Zeitung" wieder ein Johann Anderle aus Gresten (Bezirk Scheibbs) auf.


Ebenda wird am 29. August "Johann Anderle, zum Betriebe des Schlossergewerbes in Wien, V., Hundsthurmerstraße 27" als Firmainhaber im "Register für Einzelnfirmen" registriert.


Am 14. Oktober schließlich heißt es im selben Blatt: "Nachstehende Privilegien sind durch Zeitablauf erloschen und wurden als solche vom k. k. Privilegien-Archive registrirt: [...] 11. des Johann Anderle vom 21. Februar 1883 auf verbesserte Rollverschlüsse;"


Die Nichtigerklärung focht ihn aber nicht an, noch ein paar Mal mit seinen "Patent-Hochverschlüssen" zu werben, wenn auch etwas ab vom Schuss, in der "Bukowinaer Rundschau und der -Post" ab dem 11. Februar 1894.


Die "Wiener Zeitung" vom 3. August 1898 berichtet vom Ableben Johann Anderles. Er hinterlässt seine Witwe Anna Anderle und die minderjährigen Kinder Anna, Johann, Ottilie, Rosa und Bertha.


Tischlermeister Anton Irschik bewirbt am 23. November 1899 im "Grazer Tagblatt" weiterhin Anderles "Rollbalken aus bestem Stahl-Wellblech". Inzwischen ist er "Vertreter für Steiermark etc." und von der Lagergasse 9 in die Lagergasse 33 und 33A übersiedelt.


Der Schlosser Hermann Franz Anderle erscheint ein einziges Mal als Suchergebnis. "Das Vaterland - Zeitung für die österreichische Monarchie" meldet am 24. Dezember, dass ihm nebst mehreren anderen das Bürgerrecht der Stadt Wien verliehen wurde. Eine Einschränkung der Suche auf Hermann Anderle führt u.a. wieder nach Gresten, Franz Anderles gibt es viele, in allen möglichen Professionen.


Sehr bescheiden gibt sich die Einschaltung vom 9. April 1902 in der "Neuen Freien Presse", nur der Doppeladler zeugt noch von ehemaligen k. k. Privilegien.

Ein bisschen mehr macht noch die Werbung im "Neuen Wiener Journal" vom 12. April 1903 her, ab dann ist Schluss mit mir bekannten Werbeauftritten.

Die "Wiener Zeitung" vom 15. August und der "Bautechniker" vom 19. Oktober 1906 melden, dass die bisherige Inhaberin Anna Anderle "über Geschäftsübertragung gelöscht" wurde und der neue Inhaber ein Herr Hugo Czeczowiczka ist, der Sproß einer erfolgreichen jüdischen Unternehmerfamilie. (Mehr dazu folgt)


"Hans Jörgel von Gumpoldskirchen" beschwert sich in seinem "Unabhängigen Volksblatt für Ernst und Humor" vom 15. Juli 1909 über "ungemütliche" Rechnungskonditionen der Firma Anderle.


Unter "Umgehung einer Konkurrenzklausel" bringt "Die Arbeit" vom 25. Dezember 1909 noch ein interessantes Detail zutage. Josef Kotsch jun. hatte seine Patente für Ventilationsapparate "gegen Bezahlung eines hohen Kaufpreises" an die Firma Johann Anderle übertragen und sich verpflichtet, zehn Jahre lang nichts mit diesen Apparaten zu tun zu haben. Die Firma Anderle musste aber feststellen, dass über Josefs Bruder Gustav Kotsch dennoch diese Apparate verkauft wurden. Interessant ist es deshalb, weil die Firma "E. S. Rosenthal's Erben" schon vor 20 Jahren diesen Weg der Diversifikation eingeschlagen hat.


Dieselbe Zeitung berichtet am 24. Mai 1914, dass "der Kaiser in Anerkennung vieljähriger, einem und demselben Unternehmen zugewendeter, treuer und belobter Berufstätigkeit [...] dem Herrn Karl Ledl sen., dem Werkführer der Rollbalken-, Plachen- und Schlosserwarenfabrik 'Johann Anderle' [...] das silberne Verdienstkreuz verliehen hat."


Die "Arbeiterzeitung" weiß am 15. August 1915 noch einiges über "Die wertvollen 'persönlichen Beziehungen' zur Gemeinde" zu berichten und mit den beiden folgenden, kleinen Einschaltungen im "Lehmann's Allgemeiner Wohnungsanzeiger" des Jahres 1942 enden meine bisherigen Zeitungsfunde über diese Firma.


Erstmals werden hier die Ziegelofengasse 35 als Adresse und Karl Schwehla als Inhaber angegeben.

Um dem Eintrag im "Findbuch" nachzugehen, muss ich mich erst im "Wiener Stadt- und Landesarchiv" einarbeiten - für Hilfestellungen bin ich wie immer sehr dankbar.